Im Interview mit display erläutert Matthias Wirges, Brand-Activation-Experte, Buchautor und Host des Podcasts Evolution der Marken, das aktuelle Marktgeschehen in der Brand- und Shopper-Aktivierung. Hierbei zeigt er auf, welche Branchen mit innovativen Konzepten vorangehen, wie die Inflationskrise Promotion-Strategien prägt und warum authentisches Live-Marketing an Bedeutung gewinnt.

display: Auf einer Skala von 1 bis 10, wie bewertest du derzeit die Investments der Markenartikelindustrie in Shopper-Aktivierung? 

Matthias Wirges: 6 wäre meine Einschätzung. Shopper Marketing ist noch immer eine recht junge Disziplin, die sich entwickelt. Erstaunlich viele Marken, die im stationären Handel zum Teil eine hohe Sichtbarkeit haben, beginnen erst jetzt so langsam Brand Activation als strategisches Thema ernst zu nehmen und nicht mehr als Randthema im Marketing mitlaufen zu lassen. Auch bei Unternehmen, die traditionell stark sind in der POS-Aktivierung, gibt es noch Luft nach oben: Viele orientieren sich stärker an dem, was gerade im Markt angesagt ist, als den Fokus auf die eigene Positionierung und eine daraus abgeleitete Shopper-Marketing-Strategie zu legen.

display: Kannst du Bereiche, Warenkategorien oder Marken nennen, die deiner Ansicht nach derzeit innovativ handeln?

Matthias Wirges: Süßwaren, salzige Snacks und Getränke sind die Kategorien, in denen traditionell viele Promotions stattfinden und in denen die Marken sich mit innovativen Konzepten gegenseitig anstacheln. Ferrero und Coca-Cola sind hier als Unternehmen mit Sicherheit herausragend und setzen immer wieder Trends. Denken wir nur mal an die personalisierten Nutella-Etiketten oder die wiederkehrenden Aktionen zu Fußball-Events.
Aber auch im Drogeriemarkt ist viel passiert in den letzten 15 Jahren. Nivea und L`Oréal haben hier einen sehr guten Job gemacht und Standards etabliert. Was innovatives Shopper Marketing „big“ macht, ist die zugehörige Media-Kampagne. Egal ob Ferrero mit OOH-Plakaten die Menschen in großer Zahl erreicht, oder Nivea mit klassischen TV-Spots die Massen aktiviert – der „Drive to POS“ ist entscheidend für das Ausmaß des Erfolges und verhilft dem Shopper Marketing insgesamt auch zu mehr Aufmerksamkeit und Ansehen.

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display: Welche Veränderungen beobachtest du aktuell im Markt? 

Matthias Wirges: Seit der Inflationskrise befindet sich die Shopper-Aktivierung in einer permanenten Ausnahmesituation und es fällt den Marken derzeit schwer, wieder einen Weg aus der Flut an Couponing-, Cashback-, und Gratis-Testen-Promotions zu finden. Natürlich sind diese Mechaniken besonders erfolgreich, aber man schafft sich mit vielen monetären Anreizen das Problem, dass man im Folgejahr an den Absatzzahlen des Vorjahres gemessen wird. Es ist aber ein Spiel mit dem Feuer: Die Shopper werden mehr und mehr zu Promotion-Käufern erzogen – und das kann sich in Summe niemand wünschen. Es wäre für alle wichtig sich wieder aus der Spirale der Preis-Promotions herauszutrauen und mehr auf innovativere Mechaniken und qualitative Anreize wie hochwertige Zugaben zu setzen.
Darüber hinaus kann man feststellen, dass sich das Live-Marketing wieder von dem völligen Einbruch der Coronajahre erholt hat und personalgestützte Maßnahmen, wie zum Beispiel Verkostungen, eine Renaissance erleben. Je digitaler die Welt wird, desto größer wird der Bedarf an „Echtem“ – und davon profitieren auch entsprechende Aufbauten und promotergestützte Aktivierungen im Markt.

display: Kannst du einen Ausblick geben, was erfolgreiche Shopper-Aktivierung in 2026 konkret leisten muss? 

Matthias Wirges: Laut Havas Meaningful Brands Untersuchung Global Report würden heute rund 74 Prozent der Marken von Konsumenten nicht vermisst, wenn sie verschwänden. Der aktuelle POS Marketing Report zeigt auf, dass 2024 bereits 61 Prozent der Befragten „ganz auf Markenprodukte verzichten“ könnten. Im Jahr 2015 lag der Wert bei 21 Prozent. Dies sind absolut alarmierende Zahlen und die dahinter liegende Vertrauenskrise wird beinahe täglich mit neuen Meldungen zu Shrinkflation, Mogelpackungen und Co. befeuert.
2026 sollte das Jahr des Turnarounds werden, in dem die Markenartikelindustrie auf breiter Front beginnt, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Wie geht das? Mit Authentizität, Glaubwürdigkeit und Transparenz. Es ist ein langer Weg zurück, aber er ist alternativlos, da wir sonst auf eine Zukunft zusteuern, in der 80 Prozent der Regalfläche mit Handelsmarken belegt sind und die verbleibenden 20 Prozent wenigen Flaggschiffmarken vorbehalten sein werden, die als Innovationsführer die Kategorie beleben dürfen.

display: Vielen Dank für das Gespräch!

Verlosung 

Wir verlosen 3 Exemplare des im Deutschen Fachverlag erschienenen Fachbuchs „So geht Shopper Marketing!“ von Matthias Wirges. Zur Teilnahme einfach eine E-Mail mit ihrer Postanschrift an zumbuch@brand-on-fire.de senden.
Einsendeschluss ist der 30. September 2025. Viel Glück!