Die Europäische Verordnung zu Verpackungen und Verpackungsabfall sorgt für Unruhe in der Branche. Verpackungen für Versandhandel, E-Commerce und Haushaltsgeräte sollen mehrwegfähig werden. Und das bedeutet, weg von Wellpappverpackungen, weil diese formal Einweg sind.

War aus Umweltgründen in der jüngeren Vergangenheit gerade Wellpappe das Material der Wahl, so weist die EU-Verpackungsverordnung den Weg in die andere Richtung. Nämlich weg von recyclebaren Einwegverpackungen hin zu wiederverwendbaren Verpackungen aus Kunststoff. Oder anders ausgedrückt, der aktuelle Entwurf der EU-Verpackungsverordnung favorisiert Mehrweg gegenüber Recycling.

Wellpappe hochgradig recycelbar

Ein Ansatz, den der Verband der Wellpappenindustrie e.V. (VDW) nicht nachvollziehen kann. Anlässlich der Jahrespressekonferenz des VDW im April 2023 äußerste sich der Vorsitzende Dr. Steffen P. Würth dazu wie folgt: „Das Prinzip Kreislauf lebt unsere Branche schon lange erfolgreich vor. Wir sind sogar ganz maßgeblich auf einen funktionierenden Wertstoffkreislauf angewiesen. Denn die von den VDW-Mitgliedern hergestellten Verpackungen bestehen im Schnitt zu über 80 Prozent aus Recyclingpapier. Dieser Kreislauf wird auch in der Bevölkerung breit akzeptiert und aktiv unterstützt. Im gewerblichen Bereich – also beispielsweise bei Transportverpackungen, die im stationären Handel auflaufen – kann man für Wellpappe von einer nahezu vollständigen Rückgabe in den Kreislauf ausgehen, weil die Marktbeteiligten den Wertstoff als Altpapier verkaufen können. Die in Wellpappe enthaltenen Papierfasern lassen sich mehr als 20-mal ohne Qualitätsverlust recyceln.“

„Produkte auf Papierbasis sind vollständig erneuerbar, recycelbar und biologisch abbaubar. Hinzukommt, dass Europa die höchste Recyclingquote weltweit hat.“

Saverio Mayer, CEO Smurfit Kappa Europe

Foto: Smurfit Kappa

Ähnlich äußert sich auch Saverio Mayer, CEO Smurfit Kappa Europe: „Produkte auf Papierbasis sind vollständig erneuerbar, recycelbar und biologisch abbaubar. Hinzukommt, dass Europa die höchste Recyclingquote weltweit hat.“ Die umweltfreundliche Bilanz von Pappe belege auch eine umfangreiche Studie im Auftrag der European Federation of Corrugated Board Manufacturers (FEFCO). Die Studie zeige, so die Vertreter von Smurfit Kappa, dass Verpackungen aus Wellpappe in 10 von 15 Kategorien der Umweltauswirkungen, einschließlich des CO2-Fußabdrucks, besser abschneiden als wiederverwendbare Kunststoffkisten.

Weniger Wellpappe – mehr Kunststoff

Mit dem aktuellen Entwurf der EU-Verpackungsverordnung sehen Verbände und Unternehmen der Wellpappenindustrie eine einseitige Bevorzugung von Verpackungslösungen aus Kunststoff einhergehen, die erhebliche negative Effekte, aber nur vergleichsweise geringen Nutzen böten. So der VDW in seiner Pressemitteilung vom 17. Juli 2023 und zieht hierzu eine Studie der Gesellschaft für Verpackungsforschung (GVM) heran.
„Elf Prozent mehr Kunststoffverbrauch, 200 Prozent mehr Transportkilometer, 80 Prozent mehr Lagerfläche und um bis zu 400 Prozent höhere Kosten für Packmittel. Unter anderem diese Folgen drohen im Jahr 2040, wenn die Verpackungsverordnung in der von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Form verabschiedet wird“, warnt Würth unter Berufung auf die GVM-Studie. Die Analyse beleuchtet anhand von Basisdaten aus dem Jahr 2021, wie sich die im Verordnungsentwurf vorgesehenen Mehrwegquoten für Transport- und Versandhandelsverpackungen auf den deutschen Markt auswirken würden. „Wir sehen hier klare Widersprüche zu den Nachhaltigkeitszielen, die die Europäische Kommission nach eigenem Bekunden anstrebt – und das längst nicht nur beim erhöhten Transportaufkommen von insgesamt 400 Millionen Kilometern, was circa 10.000 Erdumrundungen entspricht“, so der VDW-Vorsitzende.
Die prognostizierte Erhöhung des Kunststoff­einsatzes um elf Prozent bewertet Würth mit Blick auf Rohstoffbasis und Recyclingquoten als bedenklich: „Die überwiegende Mehrheit der Kunststoffe wird weiterhin aus fossilen Rohstoffen hergestellt – anders als Wellpappe, die auf pflanzlichen und somit nachwachsenden Ressourcen basiert.“
Laut GVM-Studie sei damit zu rechnen, dass durch die Quotenvorgabe der Einsatz von Primärmaterial für Transportverpackungen bis 2040 sogar um ein Prozent ansteigen würde, statt einen Rückgang zu erzielen. Allein für den Aufbau der Mehrwegsysteme habe die GVM im ersten Jahr einen notwendigen Zukauf von 285 Kilotonnen Mehrwegverpackungen veranschlagt – eine Menge, die die zeitgleich eingesparte Wellpappe um 146 Kilotonnen übertreffen würde. „Das Ziel einer Minimierung von Verpackungsmaterial, für das sich auch die Wellpappenindustrie mit der Entwicklung immer effizienterer Lösungen täglich einsetzt, dürfte also durch die rigiden Vorgaben verfehlt werden“, folgert Würth.

Nur geringer Nutzen

Insgesamt attestiert die GVM den von der EU-Kommission angestrebten Quotierungen bei Transport- und Versandhandelsverpackungen einen nur geringen Nutzen bei vergleichsweise hohen Kosten. Pauschale Vorgaben seien hier nicht zielführend, so das Fazit der Analyse. Als Begründung führt die GVM unter anderem die große Variantenvielfalt bei den derzeit genutzten Transport- und E-Commerce-Verpackungen an. Diese in Mehrwegverpackungen darzustellen, sei weder ökonomisch und noch ökologisch sinnvoll. „Wellpappe kann als flexibles Material ihre Stärken voll ausspielen, wenn es um leicht anpassbare oder sogar maßgeschneiderte Verpackungen geht“, ergänzt Würth und führt fort: „Mehrwegsysteme hingegen lassen mit ihrer notwendigen Beschränkung auf wenige Standardformate eher eine Zunahme des Leerraums in den Lieferketten befürchten – ein weiterer Punkt, der den Zielen des EU-Verordnungsentwurfes widerspricht.“

„Das Ziel einer Minimierung von Verpackungsmaterial, für das sich auch die Wellpappenindustrie mit der Entwicklung immer effizienterer Lösungen täglich einsetzt, dürfte also durch die rigiden Vorgaben verfehlt werden.“

Dr. Steffen P. Würth, Vorsitzender Verband der Wellpappenindustrie e.V.

Foto: Straub Verpackungen

Nahezu absurde Folgen befürchtet der VDW auf Grundlange der GVM-Analyse bei den Importen aus Nicht-EU-Staaten: „Es ist durchaus möglich, dass Haushaltsgroßgeräte an der EU-Grenze dann künftig millionenfach in Mehrwegbehälter umgepackt werden müssten. In diesen Fällen würden also pro Produkt zwei Transportverpackungen genutzt – das ist eindeutig das Gegenteil von Effizienz und Umweltschutz“, erklärt Würth. Die Wellpappenindustrie appelliere somit aus guten Gründen weiter eindringlich an die Politik, von pauschalen Mehrwegquoten für E-Commerce und Transportverpackungen abzusehen.
Einen ähnlichen Appell richtet Smurfit Kappa an die Politik: Der einseitige Ansatz zur Wiederverwendung ist kein Allheilmittel für das Verpackungsproblem. Wellpappe ist aufgrund ihrer Eigenschaften das am häufigsten recycelte Material, was gleichzeitig bedeutet, dass eine Wiederverwendung für die meisten Anwendungen keine realistische Option ist. Der einzige glaubwürdige Weg nach vorne für Europa ist, dass Wiederverwendung und­ Recycling gleichberechtigt nebeneinander existieren.

 

FEFCO-Studie

Comparative Life Cycle Assessment – Packaging Solutions for the Fodd Industry