Design als Strategie: Marke sichtbar machen

Differenzierung im Handel am Beispiel Söbbeke

Der Handel wandelt sich: Eigenmarken wachsen, das Sortiment expandiert und Standards verschieben sich. Im Interview sprechen Kathrin Niesen und Maike Bischoff über die Herausforderungen und Chancen für Marken, durch gezielte Designarbeit Profil zu zeigen.

Schon lange reicht es nicht mehr, sich auf bekannte Prädikate oder langjährige Markentradition zu verlassen. Eigenmarken setzen die etablierten Marken unter Druck, während Kategorien von einer Flut unterschiedlichster Varianten geprägt sind. Eine klare, strategische Designführung wird damit zum entscheidenden Werkzeug, erläutern Kathrin Niesen und Maike Bischoff, Das Kreative Studio, am Beispiel des Markenrelaunch der Biomolkerei Söbbeke.

display: Frau Niesen, Branding ist ihr Thema. Wenn wir an den Handel denken, mit welchen Herausforderungen sind Traditionsmarken heute konfrontiert?

Kathrin Niesen: Eine aktuelle Untersuchung der ZEIT (meine letzte Zahl ist aus dem NIQ Report 2025 mit 41,6 Prozent) zeigt, wie sehr sich die Kräfteverhältnisse im Supermarkt verschoben haben: Eigenmarken machen inzwischen rund 50 Prozent der Einkäufe aus – ein Zuwachs um zehn Prozent in nur wenigen Jahren. Stiftung Warentest attestiert ihnen dabei nahezu gleiche Qualität wie Markenprodukten, teilweise sogar bessere Noten. Man kann sich nicht mehr darauf verlassen, dass Prädikate an sich wirken. Bio, regional, nachhaltig – das alles ist heute Standard. Was früher Haltung signalisierte, ist zur Pflichtübung geworden.

Gleichzeitig wächst das Sortiment in nahezu jeder Kategorie. Joghurt, Käse, Limonade – alles gibt es in Dutzenden Varianten, mit Light-Versionen, saisonalen Editionen und Geschmacksabwandlungen. Doch mehr Auswahl bedeutet nicht automatisch mehr Relevanz. Wer überall mitspielt, wird schnell beliebig. Für viele Unternehmen heißt das: lieber fokussieren, als kopieren – und genau das bewusste Weglassen zur eigenen Stärke machen.

Handelsmarken treten heute mit hochwertigem Auftritt auf, übernehmen die Codes etablierter Marken und verwischen so die Grenzen zwischen Eigenmarke und Markenprodukt. Gleichzeitig verfügen sie über Ressourcen, mit denen viele mittelständische Marken kaum mithalten können – ob bei Design, Marketing oder Sichtbarkeit. Im Wettbewerb zählt deshalb nicht mehr, wer am lautesten ist, sondern wer glaubwürdig bleibt – wer die Menschen emotional an seinen Markenkern bindet. Genau ist Design die Lösung.

display: Können Sie den Aspekt Design sowie dessen strategischen Stellenwert erläutern? 

Maike Bischoff: Design ist für uns ein essenzielles strategisches Werkzeug, das weit über reine Verschönerung hinausgeht. Es dient dazu, den Charakter und Markenkern eines Unternehmens sichtbar zu machen und gezielt zu positionieren. Dekoration ist austauschbar und erzielt meist nur kurzfristige Effekte. Echte Markenführung dagegen arbeitet bewusst mit dem Kern der Marke, hebt diesen präzise hervor und inszeniert ihn konsequent. Design vermittelt dabei Werte und Besonderheiten und stiftet Orientierung sowie Vertrauen. Wir starten stets mit einer Analyse: Was macht die Marke einzigartig? Erst darauf aufbauend entwickeln wir Lösungen, die präzise und markentypisch wirken und so nachhaltigen Erfolg ermöglichen.

Katrin Niesen und Maike Bischoff, Geschäftsführerinnen bei Das Kreative Studio. Foto: Sven Kalkschmidt

display: Können Sie hierzu ein konkretes Beispiel nennen?

Kathrin Niesen: Ein gutes Beispiel ist der Relaunch der Molkerei Söbbeke, den wir begleitet haben. Die Molkerei Söbbeke aus dem Münsterland zählt zu den Pionieren der deutschen Bio-Bewegung. Seit den 1980er-Jahren stellt das Familienunternehmen Joghurt, Quark und Milchprodukte in Bio-Qualität her – lange bevor Nachhaltigkeit zum Mainstream wurde. Doch im heutigen Marktumfeld fällt selbst authentische Herkunft nicht mehr automatisch auf. Die Regale sind voll mit Marken, die dieselben Werte beanspruchen – von Regionalität bis Bio-Siegel. Viele Marken haben im Laufe der Jahre zu viel erzählt und dabei an Fokus verloren.

Maike Bischoff: Für uns war der Relaunch daher mehr als ein Gestaltungsauftrag – er wurde zum strategischen Prozess. Ein Markenrelaunch ist eine Chance, sich selbst unbequeme Fragen zu stellen: Wo stehen wir? Welche Rolle spielt Design in unserer Gesamtstrategie – und welche Probleme kann es konkret lösen?

Fruchtjoghurt im verbesserten Design – der neue Look spricht Shopper an. Foto: Molkerei Söbekke

Kathrin Niesen: Design ist für uns kein kosmetischer Eingriff, sondern ein Mittel zur Unternehmensberatung. Gerade weil sich Märkte ständig verändern, müssen Marken lernen, sich in sinnvollen Abständen neu zu justieren, bevor andere sie kopieren.

Wir begannen den Relaunch deshalb nicht mit einem neuen Look, sondern mit einer Analyse: Welche Elemente tragen die Marke – und welche lenken sie ab? Im Dialog mit dem Söbbeke-Team entstand ein Design, das Ordnung schafft, ohne Vertrautes zu verlieren: weniger Text, präzisere Hierarchien, mehr Raum für das Produkt und seine Farbe. Die Früchte rücken in den Vordergrund, die Farben wirken satter und natürlicher – der Genuss wird sichtbar. Grundlage war der Leitgedanke des Studios: Simplify & Amplify – reduzieren, um zu verstärken.

display: Sie sprechen von „Simplify & Amplify“ als Leitgedanke. Was bedeutet dieser Ansatz konkret für die Markenentwicklung und welche Effekte haben Sie beim Relaunch von Söbbeke beobachtet?

Maike Bischoff: Kurz gesagt, verstärken durch Vereinfachen! Design ist keine Dekoration, sondern soll zeigen, was ein Unternehmen wirklich ausmacht. Das Ergebnis: eine Marke, die wieder für das steht, was sie ausmacht – Herkunft, Genuss, Qualität. Und das Ergebnis spricht für sich: Nach dem Relaunch stieg der Umsatz beim Fruchtjoghurt um sieben Prozent.

display: Vielen Dank für das Gespräch!